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Chronik der Schützengesellschaft Lindau

Die Schützengesellschaft Lindau ist nicht nur der älteste Verein in Lindau, sondern auch der mit der längsten Tradition. Über Jahrhunderte hinweg ist der Verein sehr eng mit der Geschichte des Ortes verbunden.

Erstmals urkundlich erwähnt wird die Schützenbruderschaft Lindau 1438 in einem alten Rechnungsbuch der Stadt Duderstadt. Trotzdem liegt die Vermutung nahe, dass das Schützenwesen seinen Ursprung noch früher gehabt hat. Der besagten Urkunde nach haben die Schützen im Jahre 1438 einen Überfall auf den Marktflecken Lindau erfolgreich abwehren können. Die Schützengesellschaft hatte in den früheren Jahrhunderten aber nicht nur die Aufgabe, die Bevölkerung zu schützen und somit Selbstschutz zu üben, sondern sie übte Polizeifunktionen im Herrschaftsbereich der jeweiligen Obrigkeit aus, diente der Allgemeinheit als Feuerwehr und übernahm auch den Hochwasserschutz. Natürlich gab es in der langen Geschichte des Vereines immer wieder ein Auf und Ab, was sich nicht zuletzt durch die vielen Kriege, wie z.B. den Dreißigjährigen Krieg, den Siebenjährigen Krieg und die beiden Weltkriege des letzten Jahrhunderts erklärt. Bezeichnend aber ist, dass immer ein ausgeprägter Wille vorhanden war, einen Neubeginn zu wagen. Gehören der Schützengesellschaft Lindau zur Zeit 510 Mitglieder an, so kann davon ausgegangen werden, dass die durchschnittliche Stärke in den früheren Jahrhunderten etwa 200-300 Mann betrug. Im Jahre 1811 kommt man auf eine ungefähre Mitgliederzahl von 350 Personen, da es in Lindau insgesamt 183 Herdstellen gegeben hat, und Vater sowie ältester Sohn der Familie, der Schützengesellschaft angehört haben.

Die Schützengesellschaft hatte schon immer eine starke Beziehung zur Kirche und stand in deren Diensten. Die starke kirchliche Bindung ist bereits in den Statuten der früheren Bruderschaft wiederzuerkennen. Das Begleiten der Fronleichnamsprozessionen zum Schutz der Teilnehmer hat sich bis heute erhalten, ebenso das Abholen der Geistlichkeiten bei den Schützenfesten.

Schützenfeste werden in der Regel alle zwei Jahre gefeiert. Sie haben eine sehr alte Tradition, was nicht zuletzt durch das Kleinod (Königskette) dokumentiert wird. Dieses Kleinod wird dem König als Zeichen seiner Würde und als Auszeichnung verliehen. Die älteste Plakette, die sich nicht im getragenen Teil des Kleinods befindet, stammt von 1510. Die älteste getragene Plakette stammt von 1687. Auf ihr finden sich zwei Namen: zuerst Vilip Steinmetz, dann Albert Narpes.
In diesem Kleinod der Schützengesellschaft verkörpert sich ihre stolze und traditionsreiche Geschichte. Ein solches Schmuckstück bedarf eines besonderen Schutzes. So gibt es schon in der frühen Zeit der Gesellschaft die Funktion des Bürgen. Der König muss zwei Bürgen stellen, die für das historisch wertvolle Kleinod gerade stehen. Auch wird dem König bei Umzügen ein Spießträger zwecks Bewachung zur Seite gestellt. In der Tradition verankert ist, dass nur der zum Königsschuss berechtigt ist, der sich beim Antreten und beim Ausmarsch der Schützen beteiligt. Der Schützenkönig genoss bereits unter der damaligen Kurmainzer Herrschaft Privilegien. Die Mainzer räumten der Gesellschaft das Privileg von 12 Fass Bier als Freibrau ein. Dieses Bier wurde auf die Bestemänner beim Schießen verteilt: 4 Fass der beste Schuss, 2½ der zweite, 2 der dritte, 1½ der vierte, 1 der fünfte, 1 der sechste. Sie teilten sich auch den Heu- und Grummetschnitt des Landes, das die Schützengesellschaft schon zu dieser Zeit ihr Eigen nennen konnte. Sie besassen von der Herrschaft 1½ Vorling (¾ Morgen), und ein Vorling (½ Morgen), den man 1778 für 54 Goldtaler gekauft hatte. In der jüngsten Zeit erhielten die Bestemänner Geldpreise, damit sie ihren Verpflichtungen, die sich durch die Königswürde ergeben haben, nachkommen konnten.

Bei den Umzügen und Ausmärschen der Schützenfeste spielt die gemeinsame Kleidung, der Paradeanzug der Schützen, eine besondere Rolle. War es früher der Gehrock, ist es heute der schwarze Anzug mit Zylinder, der sich zu Beginn des 19. Jh. durchsetzte. Hinzu kam später die Uniform der Junggesellen und in jüngster Zeit die Tracht der Damenabteilung mit dem Schirm als Requisit. Das Vereinsleben der Schützengesellschaft war schon immer durch Satzungen bzw. Statuten geregelt. So kann man der Überlieferung entnehmen, dass bereits im Jahre 1666 vom Amtmann Schott die Statuten überarbeitet worden sind. Die erste Satzung mit der sich die Gesellschaft beim Amtsgericht in Duderstadt ins Vereinsregister eintragen ließ, wurde im Jahre 1881 erstellt. Im gleichen Jahr erlangte man den Status einer juristischen Person und war somit gerichtsfähig geworden. Das heutige Ehrengericht, das jeweils auf den Schützenfesten tagt, ist noch hierauf zurückzuführen. Weitere Überarbeitungen der Satzung erfolgten 1922, 1977 und 1991. Die derzeitige Form stammt aus dem Jahre 2002. Ein gesellschaftlicher Mittelpunkt der SG Lindau war und ist das Schützenhaus. Für ihre Verdienste um die bereits erwähnte Fronleichnamsprozession wurde den Lindauer Schützen vom Hildesheimer Bischof eine große Belohnung zuteil. Diese ermöglichte den ersten Bau eines Schützenhauses. Nach der Verkoppelung wurde etwa um die Jahrhundertwende das Schützenhaus von der Meierlake auf den Schützenplatz an der Steinlake verlegt, dem 1928 ein größerer Ausbau folgte. Von 1939 bis 1945 diente die Anlage als Gefangenenlager. Von 1945 bis 1952 waren wegen der damaligen Wohnungsnot dort zwei Familien untergebracht. Im Jahre 1990 wurde mit dem Umbau und der Erweiterung des Schützenhauses sowie der Neuerstellung des Schießstandes begonnen, was große Anerkennung und Bewunderung weit über Lindaus Grenzen gefunden hat. Über DM 550 000 waren zu der damaligen Zeit für diese Umbaumaßnahmen erforderlich.

Ein Beitrag, der zu 100% durch Eigenfinanzierung der Mitglieder aufgebracht worden ist. Die heutige Struktur und damit der innere Aufbau der Schützengesellschaft Lindau entstand im Laufe des 20. Jahrhunderts. Gerade in den letzten Jahrzehnten wurden Tradition und moderner Schießsport gleichermaßen berücksichtigt. Damit wurde man den Erfordernissen eines modernen Vereins gerecht. Während der revolutionären Wirren nach dem 1. Weltkrieg bildete sich 1922 der Verein für Freihandschießen. Die Mitglieder, sie mussten auch Mitglieder in der Schützengesellschaft sein, traten dem Schützenbund bei und ermöglichten somit das offizielle Schießen in Lindau. Um 1960 entstand die Schießsportabteilung, die inzwischen große Erfolge erzielen konnte. Viele Kreis- und Landesmeistertitel in den unterschiedlichsten Disziplinen können sich die Sportler an ihre Fahnen heften. Teilnahmen bis hin zu den Deutschen Meisterschaften prägen das Gesicht dieser Abteilung. Einen gesunden Unterbau der Gesellschaft bildet die im Jahre 1968 ins Leben gerufene Jugendabteilung.

Sie sorgt sehr erfolgreich dafür, dass die Zukunft des Vereins gesichert ist. Ein ganz entscheidender und bedeutender Schritt im Lindauer Schützenwesen war die Eingliederung der Frauen in die Schützengesellschaft im Jahr 1962. Ließ der Verein bis dahin in der Jahrhunderte langen Geschichte keine weiblichen Mitglieder zu, stellt heute die Damenabteilung nicht nur eine Bereicherung dar, sondern sie ist ein wirklicher Pfeiler der Gesellschaft geworden. Erwähnung muss auch die ehemalige Bogensportabteilung finden, die in den 80er und 90er Jahren für große sportliche Erfolge sorgten. Über 565 Jahre Schützengeschichte bedeutet mehr als nur Geschichte einer Gesellschaft. Für Lindau bedeutet diese Geschichte Zeugnis der Gemeinsamkeiten einer dörflichen Gesellschaft, Zeugnis für das Auf und Ab der Geschichte, Zeugnis für den Willen, das Leben zu meistern.

Die Schützengesellschaft Lindau ist in ihrer 575 jährigen Geschichte ein Zeugnis dafür, wie der Mensch aus einer gewachsenen Tradition heraus in die Lage versetzt wird, sich immer wieder veränderten Einflüssen anzupassen und diese zu bewältigen.